60 Jahre SF Achim
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- Erstellt am Sonntag, 22. Mai 2011 10:44
- Zuletzt aktualisiert am Dienstag, 25. Juni 2013 21:29
- Veröffentlicht am Sonntag, 22. Mai 2011 10:44
- Geschrieben von Karlheinz Gerhold
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60 Jahre Schachsport in Achim
Schachfreunde Achim gründeten sich im Jahre 1951
(von Stadtarchivar Karlheinz Gerhold)
Goethe lernte es nie richtig, erklärte das Schach zum Prüfstein des Gehirns; Benjamin Franklin pries es als Quelle sittlicher Bildung. Was ist es wirklich: das Schachspiel?
Obwohl zahlreiche Legenden über die Entstehung des Schachs berichten, liegen seine tatsächlichen Anfänge im Dunkeln. Die Schachhistoriker gehen davon aus, dass das Schachspiel seinen Ursprung im Bereich der Seidenstraße hat und sich in Indien aus Vorläuferspielen (Jagdspiel: „Wer den König matt setzt, gewinnt“; Rennspiel: „Erreicht ein Bauer die achte Reihe, wandelt er sich um“) über einen längeren Zeitraum entwickelt hat. In Manfred van Fonderns Lexikon für Schachfreunde lesen wir über die Geschichte des Schach: „Als Vorlage soll die Nachbildung einer Schlacht zweier altindischer Heere gedient haben. Es sollte ein friedlicher Wettstreit mit gleichen Chancen sein. Das Schachbrett bildet die Dimension des Raumes. Die Figuren – Zeichen der Kraft und Träger der Handlung – waren dem indischen Heer entlehnt: Fußsoldaten, Reiter, Elefanten und Streitwagen. Das dritte Element neben Raum war die Zeit. Sie wurde durch den Zug gemessen. Das Schach trug in Indien den Namen Tschaturanga (wörtlich übersetzt: vier Teile), genau wie das indische Heer. Das Spiel war tief in den religiösen Auffassungen der Inder verankert. Viele indische Tempel sind auf der architektonischen Grundlage des Schachbrettes – auf dem Quadrat 8 x 8 – erbaut worden. Die Zahl 8 ist das Symbol für die Unendlichkeit in der Mathematik. 8 x 8 Felder besitzt das Schachbrett; das Heer setzt sich zusammen aus 8 Figuren und 8 Bauern (=Fußsoldaten). 8 Felder beherrschen der König und die Springer. Als erster erwähnt der indische Dichter Bana im 7. Jahrhundert das Schach. In veränderter Form gelangte das Spiel nach China, Indonesien und Burma; vielleicht durch Handelsreisende nach Rußland. Die Araber bereicherten das Schach um neue Gedanken. Von 850 bis 1500 wird Schach in der arabisch-islamischen Welt mit großer Leidenschaft gespielt.
Eine schöne Legende von der Entstehung des Schachspiels beschrieb der Perser Ibn Khallikan (1211-1282) im 13. Jahrhundert:
„Unter dem indischen Herrscher Shihram geriet das Land in Not und Elend. Um die Aufmerksamkeit des Königs – ohne seinen Zorn zu entflammen – auf seine Fehler zu lenken, schuf der weise Brahmane Sissa ibn Dahir ein Spiel, in dem die wichtigste Figur – der König – ohne Hilfe anderer Figuren und Bauern nichts ausrichten kann. Dies leuchtete dem König ein, und er versprach dem Weisen jede Belohnung, die dieser verlangen würde. Dem weisen Sissa bot sich eine gute Gelegenheit, dem hochmütigen Herrscher noch einmal eine Lehre zu erteilen, diesmal eine Lehre der Bescheidenheit. Er wünschte sich folgende Menge Weizen: für das erste Feld des Schachbretts ein Korn, für das zweite zwei Körner, für das dritte die doppelte Menge, also 2² = 4 Körner, für das vierte wieder die doppelte Menge, also 2³ = 8 Körner usw. Der König war zunächst erbost über die vermeintliche Bescheidenheit. Schließlich stimmte er zu und freute sich, dass er mit solch niedrigem Preis seine Schuld tilgen konnte. Bald verkündete der Vorsteher der Kornkammer, dass es so viel Weizen im ganzen Reich nicht gäbe. Wie später berechnet wurde, betrug die Summe aller 64 Felder 18446744073709551615 Körner (18 Trillionen, 446 Billiarden, 744 Billionen, 73 Milliarden, 709 Millionen, 551 Tausend und 615 Körner oder 922337203685 Kubikmeter Weizen). Um diese Menge transportieren zu können, wären so viele Wagen nötig, dass sie hintereinander aufgestellt 231666mal um die Erde reichten.“
Dass Schach hauptsächlich in königlichen oder Adelskreisen des Feudalismus gepflegt wurde, wird heute bezweifelt. Es war wohl schon immer auch ein Spiel des Volkes, das sich so auf hohem Niveau und äußerst vergnüglich die Zeit vertrieb.
Genauso wie die Entstehung des Schachs selbst liegt auch die Entstehung des Schachsports in Achim im Dunkeln. Es ist lediglich erwiesen, dass es bereits Anfang der 30-er Jahre des 20. Jahrhunderts in Achim einen Schachclub gab, der sich auch an Mannschaftsmeisterschaften und anderen Turnieren beteiligte.
Dem Achimer Stadtarchiv liegt ein Dokument vor, das als Beleg für diese Aussage zu nennen ist. Am 13. November 1999 hielt Diedrich Claus aus Sottrum anlässlich des 40-jährigen Bestehens des Schachclubs Sottrum die Festansprache im Gasthaus Röhrs. Darin berichtete er über seine Zeit als Mitglied des alten Achimer Schachclubs: „Sehen Sie es mir nach, wenn ich, bevor ich auf die großen Sottrumer Turniere zu sprechen komme, ein eigenes Erlebnis schildere: Am 20. November 1932 gab mir der Schachclub in Achim, dem ich als 18-jähriger seit einem Jahr angehörte, die Gelegenheit, an einem großen Turnier mit dem russischen Großmeister Bogoljubow im Simultan- und Blindspiel teilzunehmen. Es fand im Hotel „Nordischer Hof“ in Bremen, Ecke Bahnhofstraße/Breitenweg, statt. Die in der Nähe Bremens liegenden Vereine durften je einen Teilnehmer entsenden.
Wer je schon einmal die Gelegenheit hatte, ein großes Schachturnier, sei es als Mitspieler oder als stiller Zuschauer, mitzuerleben, der ahnt etwas von der magischen Anziehungskraft dieses Spiels, wenn er seine Jünger stundenlang, weltvergessend, über das Brett gebeugt dasitzen sieht. Äußerlich erscheinen sie voller Gleichmut, innerlich aber sind sie angespannt bis in die letzte Nervenfaser. Unbestechlich tickt die Turnieruhr neben dem Brett und schafft ein eigenartiges prickelndes Fluidum. So hat es Dr. Werner Lauterbach in seinem 1957 herausgegebenen Buch „Das unsterbliche Spiel“ beschrieben und so habe ich es 1932 im großen Spiel mit einem „großen“ Spieler intensiv empfunden. Bogoljubow spielte simultan, gleichzeitig, gegen 44 wahrlich nicht unbedarfte Spieler, gewann 27 Partien, remisierte 13 (darunter ich) und hat 4 verloren. Fünf Stunden hat dieser robuste und begabte Russe es auf sich nehmen müssen. Als Auftakt hatte er schon zur Demonstration mehrere Partien blind simultan gespielt.“
Außer Diedrich Claus sind noch Paul Schröder und der Vater von Johann Butt aus Achim als Mitglieder des Vorläufervereins bekannt.
Die Gründung der Schachfreunde Achim
Auch wenn die Wurzeln des Schachsports in Achim bis in die 20-er Jahre des 20. Jahrhunderts zurückreichen, steht eines fest: Der heute aktive Verein, der den Schachsport in Achim seit sechs Jahrzehnten pflegt und fördert, wurde jedenfalls am 18. Juli 1951 im Bahnhofshotel Achim gegründet: In der Niederschrift über die Entstehung des Schachvereins im Jahre 1951 heißt es: „Im Juli des Jahres trafen sich einige Schachspieler zu Spielabenden im Bahnhofshotel Achim. Nachdem sich im Laufe der nächsten Wochen etwa 16 Schachfreunde zusammengefunden hatten, wurde die Gründung eines Vereins beschlossen. Am 18. Juli 1951 wurde dann der Verein gegründet. Herr Theiß wandte sich mit einigen Worten an die anwesenden Schachspieler und brachte als 1. Vorsitzenden des Vereins Herrn Küchler, als Schriftführer und Kassierer Herrn Gutzeit und als technischen Spielleiter Herrn Schubert in Vorschlag. Da andere Vorschläge nicht gemacht wurden, fand eine Abstimmung statt, wobei die genannten Personen einstimmig gewählt wurden.“ Damit war der Achimer Schachverein entstanden.
Den Vereinsgründer Georg Theiß (geboren am 5.11.1919 in Achim als Sohn des späteren sozialdemokratischen Gemeindeausschussmitglieds Wilhelm Theiß), der in der Scharnstraße 3 lebte, haben wir nach den Umständen der Vereinsgründung befragt: Im Bahnhofshotel (bei „Tante Ella“, wie der Volksmund sagte), dem späteren Hotel Zur Post, heute Pizzeria Davide, trafen sich 1950 mehrere Achimer, um das Schachspiel zu pflegen, unter ihnen Georg Theiß und Johann („Jan“) Butt. Um weitere Spielpartner zu werben, hängten sie ein Schild mit der Aufschrift „Wer Schach spielen will, melde sich hier“ ins Fenster der Gastwirtschaft. So war man bald rund 15 Schachbegeisterte. Georg Theiß regte die Vereinsgründung an. Der Vereinsbeitrag betrug 50 Pfennige pro Spieler und Monat.
Die Motivation für die Vereinsgründung lag in dem Bestreben, nach dem Ende des 2. Weltkrieges vor allem auch Jugendliche an das klare, strukturierte Denken des Schachspiels heranzuführen, um sie so vor Manipulation und Beeinflussung zu schützen. Aus den Erfahrungen der Hitlerdiktatur erläutert Georg Theiß die Triebfeder für die Vereinsgründung 1951: Wer durch das Schachspiel selbständiges Denken und Entscheiden lernt, ist nicht so leicht beeinflussbar.
Parteipolitik und Glücksspiele wurden während der Vereinsabende strikt außen vor gelassen. Der junge Verein hatte anfangs rund 15 Mitglieder. Bodo Neumann erstellte ein Demonstrationsbrett, die Figuren wurden aus den Teilen eines alten Kinderbettes hergestellt. Helmut Bosenius bot Schachkurse an der Volkshochschule an. So fing vor 60 Jahren alles an.
In der Anfangszeit des Achimer Schachvereins, der sich im Bahnhofshotel („Hotel zur Post“) zum Schachtraining traf, war Helmut Bosenius der beste Vereinsspieler; er gewann die Vereinsmeisterschaft 1951 bis 1956. Helmut Bosenius (* 18.8.1911 Düren, = 20.1.1979 Achim) war in den 50-er Jahren Mitglied des Rates der Stadt Achim und Vorsitzender des SPD-Ortsvereins Achim in den Jahren 1951 bis 1956.
Bereits im Jahre 1953 zwei Jahre nach der Vereinsgründung veranstalteten die Schachfreunde Achim unter Leitung ihres Vereinsvorsitzenden Adolf Küchler im Vereinslokal „Bahnhofshotel“ ein großes Schachturnier mit 128 Teilnehmern an 64 Brettern. Im gleichen Jahr folgte der Beitritt zum Deutschen Schachbund. 1954 wechselten die Schachfreunde Achim ihr Vereinslokal: Für mehrere Jahrzehnte spielten sie in der Gaststätte Helmut Jäger (bis in die 80-er Jahre). Danach waren das Gasthaus Schäfer in Uesen, Gasthaus „Hannover“, das Schützenhaus Achim (Am Freibad), das TSV-Jugend- und Sportheim (Am Freibad) und schließlich jetzt seit einigen Jahren das KASCH Spiel- und Übungsstätte. Ihre Turniere und Mannschaftsmeisterschaftsspiele absolvieren die Achimer Schachsportler im Kulturhaus Alter Schützenhof (KASCH), dessen Trägerverein sie als Mitglied angehören. Turniere fanden in letzter Zeit auch in Gieschens Hotel, im Haus Clüver, in der Pausenhalle der Realschule und im Schulzentrum statt.
Das schönste Geschenk zum 60-jährigen Vereinsjubiläum machten sich die Schachfreunde Achim selbst: Mit einem sehr guten Rang 4 in der Schlusstabelle der A-Klasse und 10 Mannschaftszählern und 38,5 Brettpunkten aus 72 Partien schaffte die erste Mannschaft nicht nur locker den Klassenerhalt, sondern mischte auch bis zuletzt oben in der Tabelle mit.
Achim II schaffte in der B-Klasse mit Rang 7 den Klassenerhalt und Achim IV gelang in der D-Klasse sogar die Vizemeisterschaft und der Aufstieg in die C-Klasse, in die übrigens Achim III – Thedinghausen abgestiegen ist. Ich schlage daher vor, dass ab der nächsten Saison Thedinghausen sich Achim IV nennt – um für klare Verhältnisse zu sorgen.
Um die Zukunft des Achimer Schachvereins im Allgemeinen und des Schachsports in Achim im Besonderen muss man sich wohl keine Sorgen machen. Mit Jugendtrainer Ragnar Händel und seinen fast professionellen Aktivitäten in den Schulschach-AGs mit über 60 Schülerinnen und Schülern dürfte die Nachwuchsgewinnung sicher gestellt sein – ein paar der besten Akteure lassen sich immer für den Verein und seine Wettkämpfe gewinnen. Das war in der Vergangenheit auch immer der Fall. Und welche Sportart zeichnet sich schon dadurch aus, dass im Wettkampf 8- und 88-jährige Schachsportler aufeinandertreffen – und man dennoch nicht weiß, wer gewinnen wird?
Zudem ist der derzeit amtierende Vorstand um Vereinschef Thomas Becker zuversichtlich, dass sich immer wieder engagierte Mitglieder finden werden, die mit ihrer ehrenamtlichen Arbeit im Vereinsvorstand den notwendigen organisatorischen Rahmen für die Ausübung des ihrer Meinung nach schönsten Sports auf der Welt – ihres geliebten Schachspiels - bieten werden.
Dabei zeichnen sich die Schachfreunde Achim durch ein hohes Maß an Kontinuität aus:
In der gesamten 60-jährigen Vereinsgeschichte gab es bisher lediglich fünf Vereinsvorsitzende:
Adolf Küchler – Vereinsgründer und erster Vorsitzender 1951 – 1976
Holger Wöltje – Vorsitzender 1976 – 1977
Hubert Sturm – langjähriger Vereinschef 1977 – 2003, heutiger Ehrenvorsitzender
Kurt Fehsenfeld – Vorsitzender 2003 – 2008
Thomas Becker – Vorsitzender seit 2008
Karl Baumann, der seit 19. Dezember 1951 – also seit 60 Jahren bis heute - aktives Vereinsmitglied ist, und Hubert Sturm, der am 30.11.1961 in den Verein eingetreten ist und von 1977 bis 2003 als Vereinsvorsitzender fungierte, wurden von 1. Vorsitzenden Thomas Becker, besonders geehrt. Hubert Sturm wurde zum Ehrenvorsitzenden ernannt.
Beachtliche sportliche Erfolge der Schachfreunde Achim waren u.a.:
1979 Achim I wird Mannschaftsmeister der Stadtliga Bremen und spielt in der Landesliga West.
1986 Michael Hävecker wird Vizemeister in der Bremer
A-Jugendeinzelmeisterschaft.
1991 und 1992 Michael Hävecker wird Bremer Landes-Vizemeister.
1997 und 1998 Frithjof Fehsenfeld wird Bremer Jugendmeister U 13.
1998 Kai Rudolph wird Bremer Jugendmeister U 14.
1999 - 2001 Die Achimer Jugendmannschaft spielt in Jugendbundesliga.
2001 Frithjof Fehsenfeld wird Bremer Landesmeister U 16.
Achim I wird Mannschaftsmeister in der A-Klasse und spielt in der Bremer Stadtliga
2002 Cedric Tantzen wird Bremer Landesmeister U 10
2004 Cedric Tantzen wird Bremer Schach-Landesmeister U 12 und qualifiziert für die Deutschen Jugendmeisterschaft
2005 Die Achimer Schachjugend wird Jugendvizemeister in der Bremer Jugendliga; Achim I wird Vizemeister in der A –Klasse und steigt in die Stadtliga auf; Dr. Matthias Oehm wird Kreismeister 2005
2006 Frithjof Fehsenfeld wird Kreismeister 2006
2008 Alexander Jung qualifiziert sich für die Schacholympiade in Dresden (Deutschland-Cup)
2009 Achim I wird in der Bremer B-Klasse Vizemeister und steigt in die A-Klasse auf
2011 Achim IV wird in der Bremer D-Klasse Vizemeister und steigt in die D-Klasse auf
Ehrungen bei den Schachfreunden Achim aus Anlass des 60-jährigen Vereinsbestehens:
V.l.n.r.: Peter Rathje, Diamantis Psiletelis, Markus Ernst, karlheinz Gerhold, Karl Baumann (60 Jahr im Verein), Vereinschef Thomas Becker mit der Ehrentafel, die alle Vereinsmeister seit 1951 verewigt; sitzend: Dr. Matthias Oehm, Ehrenvorsitzender Hubert Sturm und Horst Danneberg (Foto: Privat)
Der erste Achimer Schachmeister 1951 Helmut Bosenius
Das erste Vereinslokal der Schachfreunde Achim 1951 "Hotel zur Post", heute Pizzeria Davide.