Turniertagebuch vom Kieler Open 2011
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- Erstellt am Freitag, 19. August 2011 16:30
- Zuletzt aktualisiert am Dienstag, 25. Juni 2013 21:29
- Veröffentlicht am Freitag, 19. August 2011 16:30
- Geschrieben von Malte Hentrop
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Turniertagebuch vom Kieler Open 2011
David trumpft im A-Open auf / Malte bleibt im B-Open unter seinen Erwartungen
Es muss nicht immer Spanien sein. Sommer, Sonne und Strand gibt es auch in Kiel!
Und Schach wird dort auch gespielt! Schon vor zwei Jahren wurde das Kieler Open von zwei Bremern aufgesucht und für empfehlenswert befunden. Während Fred Hedke (DSK) sich beim Kieler Open 2009 mit dem neunten Platz eine gute Platzierung im damals sehr stark besetzen A-Open erkämpfte (Turniersieger Aljoscha Feuerstack, GM David Baramidze, die lettischen Großmeister Viesturs Meijers und Zigurd Lanka und die IMs aus Indien Arghyadip Das und Roy Saptarshi um nur einige wenige Namen zu nennen), konnte der Findorffer Malte Hentrop im B-Open (bis 1700 DWZ) als strahlender Sieger hervorgehen. Dass das Kieler Open für starke Spieler nicht uninteressant ist, zeigte schon der Besuch eines gewissen Magnus Carlsen, der dort im Jahre 2002 mit seinem Talent auf sich aufmerksam machte.
2011 nahmen nun erneut zwei Bremer am Kieler Open teil. Während Malte Hentrop erneut sein Glück im B-Open versuchte, gesellte sich nun David Kardeous von der SAbt Werder Bremen dazu, der es vorzog, sich im A-Open zu behaupten. Wo nun feststand, dass beide in unterschiedlichen Turnieren spielen, konnten sie sich gegenseitig fest die Daumen drücken. Als Spielstätte diente das Vereinshaus des Ruderclubs Germania. Direkt an der Förde gelegen konnte unter guten Bedingungen und maritimen Flair eine tolle Schachwoche für die beiden Bremer starten. Am Samstag den 30.07. wurde das Turnier mit einer Begrüßungsansprache und im Folgenden einer Doppelrunde eröffnet.
Samstag, 30. Juli
David hatte es in der ersten Runde mit einem nominell deutlich stärkeren Spieler zu tun. Der Gegner hieß Jürgen Kropp (DWZ 1957). Beide Seiten spielten die Eröffnung im Nimzo-Larsen-Angriff ziemlich solide. Davids Gegner jedoch patzte schon im zehnten Zug und verlor nicht nur Figuren, sondern auch Haus und Hof und letzten Endes die Partie. Mit seinem Sieg setze der junge Werderaner schon gleich in der ersten Runde ein Zeichen.
In der ersten Runde ging Malte Hentrop (Setzlistenplatz 2) im B-Open gegen Günter Wisotzki (DWZ 1447) als leichter Favorit ins Rennen. Schon am Brett hatte Malte nicht so ein gutes Gefühl, wie noch vor zwei Jahren. Dies war wohl darin begründet, dass die letzten Turniere zwar leistungstechnisch noch im Bereich des akzeptablen waren, erfolgstechnisch jedoch überhaupt nicht. Malte erzeugte bei seinem Gegner leichte Schwächen, hatte jedoch Schwierigkeiten den kleinen Vorteil zu nutzen. Durch wenig überzeugendes Spiel des Findorffers bekam sein Gegner Ausgleichschancen und konnte in ein remisiges Turmendspiel einlenken. Malte kämpfte aber bis zum Schluss und erschummelte sich durch ängstliches und fehlerhaftes Spiel seines Kontrahenten mit einem taktischen Endspieltrick den Sieg.
In der zweiten Runde wartete mit Joachim Berger (1978) ein weiterer harter Brocken auf David. Der 14-jährige machte schon früh einen Eröffnungsfehler, welcher aber übersehen und somit unbestraft blieb. David erkämpfte sich einen Mehrbauern und eine angenehmes Springerendspiel, welches Remis endete. Nach dem heutigen Tag war David nun mit 1,5/2 in der oberen Tabellenhälfte platziert!
Malte hatte Bernd-Christian Rosenkranz (1512) als Gegner, gegen den er schon vor zwei Jahren spielen durfte und damals auch als Sieger hervorging. Bernd-Christan brachte eine Alt-Benoni-Variante aufs Brett, die schon nach der Eröffnung kaum ein anderes Ergebnis als ein Remis hervorbringen konnte. Es wurde noch ein wenig probiert und sich dann auf Remis geeignet. Der erste Dämpfer für Malte.
Sonntag, 31. Juli
Am Sonntag folgte die nächste Doppelrunde. Dort bekam David Alexander Petri (2131) vorgesetzt. Diese Aufgabe schien unmöglich für den Teenager, aber er hielt sich wacker. David hatte nicht genügend Kompensation für einen geopferten Bauern, auch die positionellen Fehler machten sich bemerkbar und somit verlor er die Partie.
Auch in der dritten Runde ging Malte schon mit einem pflauen Gefühl ans Brett und spielte unsolide. Der junge Patrick Henschen (1429) überraschte Malte mit einem wunderschönen taktischen Schlag, der ihm schon gewinnbringenden Vorteil brachte. Malte verteidigte noch ziemlich zäh, doch sein Gegner spielte den Vorteil überzeugend und kreativ nach Hause. Nun war Malte im Zugzwang. Das Preisgeld, dass es zur Re-Finanzierung seines kürzlich gestohlenen Fahrrads zu gewinnen gab, rückte in weite Ferne.
In der vierten Runde des Turniers musste David gegen Birger Boyens (1891) ran. David hatte eine ernsthafte Schwächung hinzunehmen („Scheiße, ich habe was im Auge“), erblindete fast, doch hielt tapfer durch. Es entstand die Französische Verteidigung und es wurde ordentlich Material entfernt. Im Endspiel mit Dame gegen zwei Türme stellte David einen Bauern ein und die beiden Schachspieler einigten sich auf ein Remis.
Malte war in der vierten Runde nun klarer Favorit. Doch der Senior Peter Spetzke (1278) zeigte sich in guter Form und spielte die Aljechin-Verteidigung äußerst sauber, was bei Malte etwas Anspannung erzeugte. Jedoch begann Malte nun wieder richtig ordentlich Schach zu spielen, bestrafte die dann doch auftretenden Fehler seines Gegners und konnte endlich wieder eine Partie hinlegen, mit der er zufrieden sein konnte.
Abbildung 1:
Hentrop - Spetzke: Nach 17. Df3 hat sich Schwarz mit 17. ... f6?? zu einem Fehler hinreißen lassen. Wie setzt Weiß am stärksten fort?
Montag, 01. August
In der fünften Runde traf David dann auf den 18-jährigen Christopher Deutschbein (1933), einem Freund von Malte. Deutschbein gab sich vor der Partie sehr siegesgewiss. David bewies ihm, dass die DWZ nicht immer aussagekräftig ist und brachte Christopher ins Schwitzen. Es entstand eine interessante Partie. David fand eine Kombination, durch die er sich zwei Mehrbauer erarbeitete und somit eine vielversprechende Stellung hatte. Doch die Ungenauigkeiten häuften sich und er musste ums Remis kämpfen, welches er auf kreative Weise sicherte.Abbildung 2:
Kardoeus – Deutschbein. Schwarz scheint gut positioniert zu sein und greift nun den Läufer an. Welcher Zug ist für Weiß nun der beste?
Abbildung 3:
Kardoeus – Deutschbein Es ist offentsichtlich, dass Weiß nicht den Hauch einer Chance hat, diese Partie für sich zu entscheiden. Wie hält er auf direktestem Wege remis?
Nachdem Maltes Start ins Turnier schon verpatzt wurde, musste sich was ändern. Vielleicht ging er auch darum eine Stunde vor Rundenbeginn zum Frisör. Und ja, er zeigte sich nun richtig gut aufgelegt. Ungewohnt aggressiv preschte er in der italienischen Verteidigung nach dem weißen Lg5, bei unrochierter schwarzer Königsstellung mit seinen h-und g-Bauern nach vorne, was sich als gerechtfertigt erwies und dem Gegner Jakob Dreessen (1537) in eine hoffnungslose Stellung brachte. Malte hätte in der dennoch komplizierten Stellung planmäßig fortsetzen können, entdeckte dann aber eine schöne Kombination und spielte diese aus. Leider hatte diese einen Haken, verschenkte seinen überwältigenden Vorteil und verlor. Der Gedanke sogleich mit schweren Gewichten an den Beinen in die Förde zu springen lag nahe und wäre aufgrund der Lage des Spiellokals auch leicht ausführbar gewesen. Malte beließ es jedoch beim Fluchen und radelte äußerst verbittert nach Hause. Damit konnte sich Malte nun mit 2,5/5 von jeglichen Träumereien im Kampf um die vorderen Plätze verabschieden und es galt für ihn ab jetzt nur noch einen schönen Urlaub in Kiel zu verbringen.
Dienstag, 02. August
Am Dienstag trafen sich David und Malte schon am frühen Nachmittag in der Spielstätte, um zusammen die Ereignisse festzuhalten und beim Blitzturnier des Kieler Opens mitzumachen. David wurde fünfter, Malte war auch mit dabei. Jeder durfte sich von einem Tisch einen Sachpreis mitnehmen. Somit war David um ein Küchenset und Notizblock, Malte um ein Problemaufgabenbuch reicher. Zeit für genügend Entspannung vor der sechsten Runde blieb trotzdem.
David spielte immer noch oben mit. Gleich in der Eröffnung wich Jürgen Meyer (1924) vom Theoriewissen des Bremers ab. David gab einen Bauern und hatte Entwicklungsvorsprung als leichte Kompensation. Durch das Einnehmen der c-Linie bekam David Gegenspiel und konnte die Partie durch äußerst genaues Spiel für sich entscheiden.
Malte musste gegen Willy Solodky (1369) antreten, der sich als ausgesprochen zäh erwies und über zwanzig Züge keine nennenswerten Fehler beging. Maltes Gegner gewann sogar einen Bauern und brachte ihn schon fast an den Rand der Verzweiflung. Doch Malte behielt dann doch die Nerven schloss Malte die Partie sehendwert und siegreich ab.
Abbildung 4:
Hentrop - Wolodky. Wie ist diese Stellung einzuschätzen und wie setzt Weiß am stärksten fort?
Mittwoch, 03. August
Der Mittwoch brachte gutes Wetter und so gingen die beiden Bremer an den Falckensteiner Strand. Hier wurde erst einmal Sonne getankt und man löste gemeinsam Problemaufgaben aus einem Schachbuch. Gebadet wurde jedoch auch. Während Malte unerschrocken ins Wasser watete, erwies sich David als tierlieb und wollte die Quallen nicht zu sehr verschrecken. Doch auch er fand einen Weg ins kühle Nass.
Gegen Alexander Berenstein (1955), einem Spieler aus dem oberen Drittel, spielte David verhältnismäßig starkes Schach. Nicht nur durch das Verdoppeln der Türme auf der d-Linie verhalf ihm zu einer aussichtsreichen Stellung, auch die restlichen Figuren waren gut positioniert. Leider schaffte David es nicht, das eindringen des feindlichen Turmes zu verhindern und er musste bangen. Doch sein Gegner macht erneut Fehler und David erreichte aus einer remislichen Stellung, eine Gewinnstellung. Unter Zeitdruck verlor er jedoch die Partie.
In der siebten Runde lieferten sich Edgar Lange (1574) und Malte eine interessante und fehlerarme spanische Partie. Das besondere an dieser Partie: 26 Züge lang verschwand kein Stein vom Brett. Edgar Lange formierte seine Figuren zum Angriff, fand jedoch kein Mittel gegen die Verteidigungsstellung von Malte und verlor den Faden. Malte kam ins Spiel gewann einen Bauern, den er aber aufgrund einer Blockadestellung nicht verwerten konnte. Remis.
Donnerstag, 04. August
Das Turnier neigte sich dem Ende zu. In der achten Runde musste David gegen Bernd Schramm (1949), einen echten Oldie, antreten. Nach einigen Zügen in der Französischen Verteidigung zog David mal wieder zu schnell und -ZACK- hatte er einen Bauern weniger. Einige Züge und Gedankenblitze später, hatte David sich wieder gefunden und -ZACK- hatter er den Bauern zurück. Im Endspiel, Läufer und Springer gegen zwei Läufer endete die Partie schließlich remis.
Abbildung 5:
Schramm - Kardoeus. Hier wäre 19.Df1der beste Zug für Weiß gewesen. Wie bestrafte Schwarz den Partiezug 19.f5?
Malte spielte nun allmählich wieder stärker. In der achten Runde kamen gegen Dietrich Schiemann (1531) keine Zweifel an seiner Favoritenrolle auf. Hier hat er die Eröffnungsfehler seines Gegners sehr konsequent ausnutzen können. Erst wurden Struktur und Figuren am Damenflügel festgelegt, dann am anderen Flügel angegriffen. Der Sieg wurde dann mit einer schönen Kombination eingefahren. Nun zeigte sich, dass Malte mit einem Sieg wohl noch 6. Sieger werden würde und somit um einen „Trostpreis“ von immerhin 50 € spielen durfte. Dies wurde jedoch erheblich dadurch erschwert, dass er gegen seinen Kumpel und Setzlistenersten Dustin Möller (1753) ran musste, der ebenfalls ein äußerst bescheidenes Turnier spielte. Diese Begegnung gab es übrigens schon 2009 in der letzten Runde; damals jedoch an Brett 1 und nicht an 5.Abbildung 6:
Hentrop - Schiemann. Der schwarze Damenflügel erlitt schon eine heftige Krankheit und nun macht sich Weiß am anderen Flügel zu schaffen. Wie setzt Weiß nun in wenigen Zügen matt?
Freitag, 05. August
Am Freitag fand die neunte und letzte Runde statt. David war am Ende seiner Kräfte und überzog in einer angenehmen Stellung, welche aus dem Nimzo-Larsen Angriff entstanden war. Da die Konzentration in dieser Partie auf Seiten des Bremers eher mangelhaft, wenn überhaupt vorhanden war, hatte Peter Schmidt (1808) leichtes Spiel und nach einigen weiteren Einstellern von David, war die Partie letzten endes verloren.
Bei der Partie Möller – Hentrop im DWZ-Turnier machte Dustin unerwartet früh in der Eröffnung einen haarsträubenden Berechnungsfehler, der einen Bauern kostete. Diesen Bauer konnte Malte zwar behaupten, doch wickelte Dustin in eine Stellung ab, in der er Aktivität bekam. Malte fand nichts besseres als den Weg in Turmendspiel mit Mehrbauern. Hier zeigte sich, dass Dustin mit dem Turmendspiel überfordert war, aber auch Malte ließ eine Chance aus, die alles vorzeitig klar gemacht hätte. Malte erspielte sich dennoch eine technische Gewinnstellung. Dustin dachte schon ans Aufgeben, doch fand spontan einen Trick, der noch das Remis sicherte. Somit wurde Malte nur Siebter. Bittere Kiste!
Fazit:
Auch in diesem Jahr wurde das Kieler Open 2011 auf selten professionelle Weise organisiert und durchgeführt. Das freundliche und emsige Turnierleitungsteam um Miachael Piegenschke stand immer mit Rat und Tat zur Seite, aktualisierte laufend und für alle an einem Laptop ersichtlich die Ergebnisse und veröffentlichte diese noch in der gleichen Nacht ins Internet. Ebenso klasse wie auch nicht selbstverständlich ist das spannend geschriebene Turniertagebuch auf der Vereinshomepage, welches gleichermaßen für das A- und B-Turnier die wesentlichen Ereignisse in Text und Bild zusammenfasst. Das Vereinshaus des Ruderclubs Germania erwies sich als gutes Spiellokal, mit freundlicher Bewirtung in der hauseigenen Gaststätte und direktem Blick auf die Förde. Mit dem Blitzturnier am Nachmittag bekommen all diejenigen Schachspieler Beschäftigungstherapie, die nicht wissen, wie sie ihre Zeit in Kiel nutzen können. Die Türen und Fenster im großen Saal des A-Opens quietschten leider beim Öffnen derselbigen leider ein wenig und brachten daher hin und wieder den einen oder anderen Schachspieler aus der Ruhe. Beim nächsten Mal wäre hier sicherlich eine „letzte Ölung“ hilfreich um die Atmosphäre zu perfektionieren. Im B-Turnier störten sich einige an den doch etwas ungünstig platzierten Tischbeinen. Ein Problem, das sich allerding mit einem leichten Verschieben des Brettes ohne weiteres aus der Welt schaffen lies, denn groß genug waren die Tische! Doch irgendwas zu meckern hat man ja immer! ;-) Davon abgesehen hatten Groß und Klein hier zusammen viel Freude. Also Kieler, weiter so!
Wer sich selbst informieren möchte kann dies auf
http://michael-piegenschke.dyndns.org/kielopen2011/ und
http://www.kieler-sg-meerbauer.de/92201.html tun.
Für David und Malte steht jetzt schon fest: Wenn es die Zeit zulässt, wird auch im nächsten Jahr die Reise nach Kiel angetreten, um einen schönen Schachurlaub zu erleben.
Freundliche Grüße aus Kiel
David und Malte